Ich betrachte das Mädchen im Spiegel. Oberflächlich betrachte ich sie, sehe ihr tief in die braunen Augen und sehe das Unvollkommene. Sie schließt ihre Augen, sie macht sie zu und die Welt ist dunkler, als ihr Gefühl. Sie denkt sich fort, sie spürt den Schmerz, der längst Gewohnheit ist und sie wünscht sich weg. Träumt von dem Ort, an dem das Leben schön ist und als sie die Augen wieder öffnet ist es noch da, das alte Gesicht, die verdreckte Maske, die seit Jahren dienen muss und das selbe weinen, was meinen Ohren zu bekannt scheint. Sie nimmt die Maske ab, sie schmeißt sie hin, geht an die kleine, weiße Kiste um nach drei Wochen ihre Tabletten zu nehmen, sie schluckt alle fünf, die fünf, die glücklich machen und nicht die kleinen grünen, die man durch eine kleine Lüge in der Apotheke bekommt. Ihr Körper zittert, die Lippen bluten und das Handgelenk ist verziert mit roten Streifen.
Ich sitze einfach nur da und starre die Wand an, blicke kurz auf meine Skizze und merke das schwere Gefühl, was plötzlich kommt, wenn die Ablenkung entfällt und die Traurigkeit sich durchsetzt. Ich frage meine Vertretungslehrerin, ob ich mal auf die Toilette könnte, muss aber warten, bis K. wieder da ist und unterdrücke weiterhin die Tränen. Als sie endlich die Tür rein kommt, stehe ich auf, ohne ein Wort zu sagen und gehe raus, gehe die Treppe runter, wische mir die Träne weg, die sich unbemerkt vor den anderen aus meinem Auge geschlichen hat und sehe M. die Treppe hochkommen, und blicke nach unten, um ihm nicht mein Gesicht zu offenbaren. Ich gehe durch die Glastür mit dem grünen Rahmen und steure aufs Klo zu. Öffne die Tür und blicke einem kleinen, blonden Mädchen direkt in die Augen. Ich drehe mich zur Seite, damit sie mein Gesicht nicht sieht und lasse meinen Tränen freien Lauf. Ich weine, weine ohne einen Ton und ohne mich zu bewegen. Als sie dann endlich das Klo verlässt und die einzige saubere Kabine frei wird, schließe ich mich ein und kotze fasst, weil ich mich so aufrege, kotze fast, weil das schluchzen mir keine Luft gibt und das Leben mir keinen Platz reicht. Die Minuten vergingen zu schnell und ehe ich mich versah, habe ich es geschafft, volkommen ohne rote Augen zurück in den Klassenraum zu gehen, ohne ein Wort zu sagen und einfach so zu tun, als wär alles okay. Meine Maske hatte ich zwar wieder aufgehoben, aber mein Blick zog die anderen an und ohne ein Wort, hatte ich das Gefühl, durchschaut worden zu sein. Und wenn ich ehrlich bin, wünschte ich es mir, ich wünschte mir die Aufmerksamkeit, die man bekommen würde, wenn die Leute wüssten, wie man zum Selbstmord steht und wie man zu Ängsten steht. Das manches, einfach von deiner "Krankheit" abhängt und man nichts, gegen diese Stimmungsschwankungen tun kann.
Es tut mir so leid, es tut mir alles so leid, ich, dieses Wesen, dieses unvollkommene Wesen. Wieder zittert mein Körper, wieder schleißt man die Augen und wieder ist dort dieser Ort, der dem Paradies ähnelt, dem Paradies in dem es kein Leid gibt, in das wir fliehen können, wenn es zu viel wird und was jetzt der Ort wär, an den ich müsste.
Ich habe nein zur Klinik gesagt, ich habe nein zur Rettung gesagt und dennoch, wünsche ich mir nichts mehr!

